APHORISMEN •
Über männliche Aggressionen •
Im Folgenden geht es nicht um ‚männlich‘ im biologischen Sinne, sondern um ein gesellschaftlich soziales Konstrukt, das unser Denken und Handeln prägt.
1. Aggression/Wut ist natürlicher Ausdruck des Mensch-Seins.
Aggression ist eine der grundlegendsten Kräfte menschlichen Seins überhaupt und ist treibende Kraft unserer Handlungen.
2. ‚Männliche’ Rollen und Ideale jedoch verherrlichen den Ausdruck von Aggression und Dominanz.
Bis heute halten sich äußerst bedenkliche Klischees von Männlichkeit. Schon in der Kindheit werden Jungen zu einem gewissen Maß an Aggressions- und Durchsetzungspotential erzogen. (Metzger 2017)
Aggressionen, gleich ob produktive oder unproduktive gelten als männlich und sind demnach erstrebenswert. Kulturell wird das dominant, heroische Verständnis des Mannes, der keinen Schmerz kennt und Konflikte durch Gewalt und Stärke löst, gestützt und verstärkt. (Zeus, Superman, John Wayne etc. )
3. Selbst unproduktive Formen (körperliche Gewalt) von Aggressionen gelten als männlich.
Auch unproduktive Formen der Aggression wie körperliche Gewalt werden im Wechselspiel der gesellschaftlich/elterlichen Erwartungen evoziert bis verstärkt. Dies wird besonders deutlich an der Kriminalitätsrate körperlicher Delikte, die zu 88% Prozent von Männern begangen werden. (BMI Bund 2019)
4. Die männliche Norm bringt Männer oft in einen Beweiszwang der eigenen Durchsetzungs- und Autonomiefähigkeit.
Ein heranwachsender Junge sieht sich oft immensen Druck ausgesetzt seiner Rolle des starken und mutigen Jungen gerecht zu werden. Erwachsene Männer geraten daher in eine Art Beweiszwang ihrer Männlichkeit und müssen sie stetig durch sexuelle Potenz, Stärke, Dominanz, Gefühlskontrolle und Unabhängigkeit unter Beweis stellen. Fürsorglichkeit, Verletzlichkeit und tiefere Zuneigung (vor allem zu Geschlechtsgenossen) gilt als unmännlich, was viele Männer in tragische Einsamkeit wirft.
5. Aggressionen und Wut werden von Männern oft als erstrebenswert empfunden, da sie dadurch ihre Stellung behaupten können. Direkte/aktive Aggressionen sind besonders zerstörerisch, weil sie ein bewusster Akt der Zerstörung sind.
Um den normativen Anforderungen gerecht zu werden, werde alle ‚schwachen‘, ‚verletzlichen‘ Anteile bei sich und anderen abgewertet und verdrängt, wodurch gewaltvollen Handlungen keine innerpsychischen Widerstände mehr entgegen stehen.
Bewusste Zerstörung und systematische Unterdrückung gehören so zum sozial akzeptierten Verhaltensrepertoire der männlichen Rolle
7. Opfer von körperlicher/aktiver Gewalt werden anschließend oft auch selbst zum Täter.
Die Psychoanalyse beschreibt mit der ‚Identifikation mit dem Täter’ einen Abwehrmechanismus der darauf abzielt den eigenen psychischen Schmerz durch Tatwiederholung zu regulieren. Der Opferrolle folgt also die Täterschaft, was die Tragik der Dynamik veranschaulicht. Ein vielfach tabuisiertes und totgeschwiegenes Thema neben der Gewalt gegen Frauen ist die (körperliche) Gewalt gegen Männer, die durch die schambesetzte Rolle des unterlegenen/schwachen Mannes und der folglichen Verschwiegenheit der Opfer nicht ausreichend beleuchtet werden kann•